SEX

Kirschen pflücken

„Popping your cherry“ sagen die Amerikaner zum Ersten Mal: die Kirsche platzen lassen. Darin steckt ein bisschen Wehmut, ein bisschen Verruchtheit – und ein wahrer Kern

Kai hatte drei Erste Male: mit einem Fremden auf dem Kaufhausklo, da war er vierzehn. Der Typ fasste einfach rüber und blies ihm anschließend einen in der Kabine. Es dauerte 45 Sekunden, bis Kai vor lauter Aufregung abspritzte. Danach legte er sich eine Freundin zu, um der Welt – und vor allem sich selbst – zu beweisen, dass er eigentlich „ganz normal“ ist. Da war er fünfzehn, der Sex ein Fiasko und die Beziehung am nächsten Tag zu Ende.

Schließlich, nach seinem Coming-out, hatte er Sex mit einem Jungen aus der Jugendgruppe. Da war Kai sechzehn und aus dem eher schlechten Sex erwuchs eine wunderschöne Beziehung. Heute findet Kai es klasse, so oft entjungfert worden zu sein. Das taugt immerhin für ein paar Ahs und Ohs beim abendlichen Wein in Gesellschaft. Das Brimborium ums „Erste Mal“ hat uns alle fest im Griff:Davor verursacht es Albträume und Angstattacken, danach ein Leben lang süße oder bittere Gefühle – je nachdem. Interessanterweise scheint es für die meisten Menschen im Nachhinein gar nicht so wichtig zu sein, wie „gut“ ihr erstes Mal war. Wenn sie nicht grade vergewaltigt wurden, dann erinnern sie sich gerne daran, zumindest schmunzelnd. Es muss wohl nur lange genug her sein.

Und wenn es noch vor einem liegt? Noch nie in der Geschichte des Abendlands wussten Teenager so viel über Sex wie heute. Da könnte das Erste Mal viel von seinen traumatischen Momenten verloren haben. Kids wissen schon Jahre vorher, worum es dabei geht. Leichter hat es ihnen das trotzdem nicht gemacht.

Weiter in DU&ICH EXTRA Nr. 9

Sex-Autor und DU&ICH-Chefredakteur Dirk Ludigs schreibt an dieser Stelle Monat für Monat über schwulen Sex und beantwortet deine Fragen!

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