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EXTRA Nr. 10

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Wie schwul ist mein Teddy?

Kevin und Julia, ein befreundetes Hetero-Pärchen, saßen neulich mit meinem Freund und mir Sonntagsnachmittags auf der Terrasse. Wir hatten uns länger nicht gesehen und tauschten uns über unser Leben aus. Mit einem Hauch Anbiederung in der Stimme sprach Julia: „Kevin und ich leben ja auch den , Gay Lifestyle‘. “

Was Julia meinte:Die beiden haben und wollen keine Kinder, fahren viermal im Jahr in Urlaub und denken über die Anschaffung eines Golden Retriever nach. Ob sie beim Espresso auf die richtige Beschaffenheit der Crema achten, habe ich nicht herausfinden können, wir tranken südafrikanischen Sauvignon Blanc – es steht aber zu befürchten.

In den Achtzigern waren die Bewegten noch wenige, tranken Brühkaffee und waren sich vor allem einig, dass Schwule außer ihrer Sexualität wenig verbindet. Es gab schwule Punker und schwule Banker, und beide trafen sich höchstens mal zum Austausch von Körperflüssigkeiten im dunklen Hinterzimmer einer Pornobar.

Irgendwann in den Neunzigern aber wurde das schwule Leben zum Gay Lifestyle, die Minderheit zur Zielgruppe geadelt. Zur gleichen Zeit verschwand der Rosa Winkel – das Symbol der Unterdrücker – und wurde durch die von einem Schwulen entworfene Regenbogenfahne ersetzt. Damit hatte der Lifestyle seine „registered trademark“. Mit Regenbogenfahne verziert, verwandelt sich ordinäres Bier in schwullesbisches, lässt sich jedes noch so billige Stück Ramsch aus Fernost zu einem Lifestyleprodukt veredeln, an dem längst nicht mehr nur „gay owned and operated“-Firmen verdienen, sondern massenhaft auch gewöhnliche Heterosexuelle, die auf der Welle mitreiten.

In den schwulen Zentren Amerikas, Castro, West Hollywood, Chelsea, plakatierte Johnny Walker vor wenigen Jahren seine Whiskeyflasche in den Händen eines offenbar homosexuellen Mannes (offener Blick, offenes Hemd, Körbchengröße D) mit den Worten „It’s not a lifestyle, it’s a life“. Gemeint war natürlich das Gegenteil:Wer als Homo schon kein Leben hat, soll sich wenigstens stilvoll um den Verstand trinken.

Ein paar Konsumkrisenjahre später darf die Frage erlaubt sein, ob uns tatsächlich mehr oder weniger verbindet als der Hang zu teurem Suff. Ist Schwulsein tatsächlich zum Lifestyle „verkommen“? Wenn junge Schwule sich zunehmend von ihm abwenden, schon das Wort nicht mehr hören können und keine Regenbogen mehr sehen wollen, dann ist die Zeit vielleicht reif, hinter dem Lifestyle wieder nach dem Leben zu suchen.

Und welch Überraschung: Auch 2004 gibt es schwule Banker und schwule Punker, ist unser Leben bunter und vielfältiger, als Marketingabteilungen es sich ausdenken können.

Mit liebem Gruß

Dirk Ludigs


Und sagt uns weiter eure Meinung zum Heft.

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Nr.411
Jan./Februar 2005
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EXTRA Nr.11
Dez.04/Januar 05
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