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EXTRA Nr. 9IntroFickst du nie fremd, Volker B.?Ein Fremder, der auf dem Berliner CSD die Kampfrede der Speerspitze der deutschen Schwulenbewegung vernommen hat, muss glauben, Lesben und Schwule hätten den ganzen Tag nichts anderes im Kopf, als die deutsche Alterspyramide in Ordnung zu bringen. Von unseren Kindern und Familien war in jedem zweiten Satz die Rede, und Volker Beck, rosa Rächer der Enterbten, kämpft wacker und einsam gegen die Diskriminierung über den Tod hinaus. Gegen die rechtliche Anerkennung von Partnerschaften, die monetäre Absicherung von Kindern ist nichts zu sagen. Wohl aber gegen das Bild von Schwulen und Lesben, das der Befreiungskämpfer Beck nach außen hin vermittelt: Es ist kitschig, spießig und falsch. Was noch schlimmer wiegt:Beck fördert damit genau das reaktionäre Familienbild, das er zu bekämpfen glaubt, und lenkt den Blick weg von den wichtigen Problemen schwuler und lesbischer Menschen. Grüne Homo-Politik unter Volker Beck ist eine Geschichte verpasster Chancen und schlechter Gesetze. Allein die Tatsache, dass der Papst gegen die Homo- Ehe ist, macht aus ihr noch keine moderne Beziehung. Ehe war und ist eine Lebensform, die die meisten Schwulen und Lesben wenig attraktiv finden. Überall in Europa, wo Homo- Ehe existiert, ist sie ein Rohrkrepierer. Auf dem Bagger-Portal Gayromeo treiben sich zu jeder Zeit mehr sexwillige Homos herum, als heiratswillige in ganz Deutschland aufzutreiben sind. Nicht einmal Heterosexuelle finden die klassische Ehe mehr sonderlich attraktiv, haben aber bis heute genauso wenig Alternativen wie Schwule und Lesben: auch dank Beckscher Fixierung auf Ehe und Familie! Was wir dafür haben, ist ein schlechtes Sondergesetz für Schwule und Lesben, jederzeit wieder abschaffbar, wenn der Wind sich dreht, und ein paar Privilegien, die auf unabsehbar im Bundesrat festhängen. Ein Blick nach Frankreich hätte gezeigt, dass man modernere Wege beschreiten kann: Der Pacte Civil de Solidarité (Pacs) steht allen offen, ist ein flexibles Instrument rechtlicher Absicherung und löst die Ehe mehr und mehr ab. Wenn Rot-Grün 2006 abgewählt wird, werden deutsche Homo-Ehe-Paare absehbar mit weniger Rechten dastehen als französische Pacsler. Und deutsche Heteros weiter nicht anderes haben als die ungeliebte Ehe. Agenda 1910, sozusagen. Wer mit einem reaktionären Bild von Schwulen und Lesben als treuen Familienvätern und -müttern vor dem Kopf herumrennt, sieht die wirklichen Probleme nicht:die extrem hohen Selbstmordraten homosexueller Jugendlicher, den Anstieg der HIV-Infektionen, die miserablen Lehrpläne an den Schulen. Auch zu der katastrophalen finanziellen Ausstattung der Aids-Hilfen und anderer Projekte: kein Wort von Herrn Beck auf dem Berliner CSD. Die meisten Schwulen sind anders, als Beck sie uns malt: Viele leben promisk, gehen wechselnde Bindungen ein, wollen keine Kinder. Schwulenpolitik heute ist in erster Linie Gesundheits-, Sozial- und Bildungspolitik. Die Familienpolitik, auch die schwullesbische, sollte Kunstgeschichtler Beck lieber seiner Parteikollegin Claudia Roth (Ich bin stolz darauf, nicht geheiratet zu haben!) überlassen. Vielleicht muss man Frau sein, um mit seinen Überlegungen im 21. Jahrhundert anzukommen, statt im 19. stecken zu bleiben. Aber, heißt es da aus gut unterrichteten Kreisen, privat sei der Volker gar nicht so prüde, wie er tut: wolle selbst ja gar keine eingetragene Lebenspartnerschaft, verfüge aber über ein Gayromeo- Profil. Na danke. Heute macht so einer wohl Realpolitik. Früher hätte man einfach scheinheilig dazu gesagt. Mit freundlichen Grüßen Dirk Ludigs |
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